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Es braucht ein neues Denken: Worklife-Balance statt Work-Life-Balance.

Die weichen Faktoren werden bei der Wahl des Arbeitgebers immer wichtiger, dazu zählen unter anderem die Flexibilität des Arbeitsortes und die Identifikation mit dem Unternehmen – und das alles im Rahmen einer gesunden Work-Life-Balance. Wie vereinbaren wir also das flexible Arbeiten mit einer klaren Trennung von Beruf und Freizeit? Oder bedarf es dieser Trennung gar nicht? Darüber sprachen wir mit Tim Schreiber, Head of Residential Rhein/Main der apollo living GmbH, und seiner Kollegin Elena Daubenthaler, Senior Consultant Residential, NAI apollo im Interview.

Es wird immer schwieriger, neue und vor allem passende Mitarbeiter:innen zu finden und viele Unternehmen fragen sich, wie sie sich dafür positionieren müssen – aber auch, wie sie langjährige und qualifizierte Mitarbeiter:innen halten können. Dabei geht es auch immer wieder darum, wie man die „individuelle Freiheit“ des Einzelnen mit Unternehmenszielen in Einklang bringen kann. Wie wichtig ist eurer Meinung nach beispielsweise eine Homeoffice-Regelung unabhängig von einer vorherrschenden Pandemie?

Elena: Das Homeoffice hat sich natürlich durch Corona etabliert, aber es ist inzwischen auch nicht mehr wegzudenken. Bei einem neuen Arbeitgeber muss Homeoffice möglich sein, wenn der Arbeitnehmer das wünscht und es keinen echten Grund für das Büro gibt. Gleichzeitig sollte das Büro dazu einladen, sich dort aufhalten zu wollen – auch wegen der Kollegen. Es braucht einen guten Mix aus Büro und Homeoffice, um Arbeitnehmer zu catchen. Das ist ja für unterschiedliche Mitarbeitergruppen auch einfach ein wichtiger Faktor: Ob für Eltern oder Pendler.

Tim: In unserem Job hast du ganz verschiedene To-dos, manche benötigen ein ruhiges Umfeld, andere den aktiven Austausch im Team. Das Office wird und muss sich allein deshalb schon wandeln, weil du zukünftig vor allem für den Kontakt zum Menschen und deinem Team das Büro aufsuchst. Das hat letztlich Einfluss auf die Flächenkonzepte: diese müssen offener und „gefälliger“ gestaltet werden, mit vielen Community Areas – also Orten die auch zum Austausch mit den Kollegen einladen und die Kommunikation fördern. „Abschotten“ kannst du dich dann eher im Homeoffice.

Hilft eine solche „Teilung“ der Arbeitswelt in Homeoffice und Büro auch bei der besseren Abgrenzung von Arbeit und Leben? Der Begriff „Work-Life-Balance“ ist ja aus der aktuellen Diskussion nicht mehr wegzudenken.

Tim: Ich halte das ein wenig für ein Unwort: Die Arbeit ist doch ein wesentlicher Teil des Lebens. Durch diesen Begriff wird die Arbeit auch im Bewusstsein herabgestuft, steht im Schatten zu „Life“. Ich empfinde das als weniger stark trennend. Die Arbeit ist doch ein fester Bestandteil meines Lebens – und trägt im Idealfall auch zu einem sinnstiftenden Teil bei. Hierbei geht es eben nicht nur darum, dass ich Geld verdiene. Ich liebe meine Arbeit und sie ist Teil meines Lebens. Warum also diese starke Trennung? Ich finde, es braucht vielmehr eine engere Verzahnung. Es braucht ein neues Denken: Worklife-Balance statt Work-Life-Balance.

Elena: Elena: Ich kann den Anspruch an eine Trennung schon nachvollziehen, es gibt Menschen, denen liegt viel an ihrer Freizeit, an der Kombination aus Privatleben und Arbeit. Aber natürlich verschmilzt es immer mehr: Es gibt inzwischen Unternehmen, die Yoga via Teams anbieten – auch weil sonst alle in zehn Jahren Probleme mit der Bandscheibe haben. Das ist auch ein Ergebnis der neuen Homeofficekultur: mehr gesundheitliche Probleme der Arbeitnehmer aufgrund fehlender ergonomisch optimierter Arbeitsplätze. Das wird dann mit einer Schaukel oder dem Gymnastikball im Büro kompensiert.

Das heißt, wir brauchen keine Trennung, sondern eine engere Verzahnung? Wie könnte die aussehen? Und wie schaffe ich es trotzdem, irgendwann Feierabend zu machen – nicht nur eine mehrstündige Pause?

Elena: Für mich bedeutet „Worklife-Balance“ nicht Job, Feierabend, Bett. Flexibles Arbeiten heißt: mal Homeoffice, mal Büro, aber auch zeitlich flexibles Arbeiten. Ich will dann auch meinen Tag gestalten können, dass er für alle Beteiligten bestmöglich funktioniert – auch hinsichtlich meiner Produktivität: Vielleicht muss ich dann morgens um 11 Uhr eine Stunde laufen gehen, bevor ich einsatzbereit bin vs. „Ich komme den ganzen Tag nicht auf die Spur“. Das braucht eine ausgeprägte Vertrauensbasis: Der Arbeitgeber muss wissen, der Mitarbeiter holt die Zeit nach und hat alle Projekte und vor allem Deadlines im Blick. Das kann durch eine Zeiterfassung unterstützt werden.

Tim: Klar, ganz wichtig. Wobei es auch hier auf den Menschen ankommt. Es gibt sehr strukturierte Homeoffice-Menschen, andere benötigen die Struktur, der durch den morgendlichen Weg zur Arbeit vorgegeben wird. Eine Zeiterfassung kann im Homeoffice einen Rahmen schaffen. Ich finde eine Verzahnung super wichtig, aber klar, natürlich birgt das auch Gefahren. Die Arbeit kommt sehr nah ans Privatleben und dann zu sagen „Feierabend!“ ist auch schwer. Hier haben Unternehmen eine ganz klare Verantwortung, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass beispielsweise auch psychische Erkrankungen vermieden werden.

Ist das nicht ein klares Argument für die Rückkehr ins Büro und die klassische Trennung von „Arbeit und Leben“? Gerade zu Beginn der Homeoffice-Regelung haben viele Arbeitgeber einen Kontrollverlust befürchtet. Was braucht es, damit beide Seiten ein gutes Gefühl haben?

Tim: Mitarbeiter müssen sich mit dem Unternehmen identifizieren können. Und das Unternehmen muss dafür den Rahmen schaffen – beispielsweise, indem es Mitarbeiter individuell fördert. Und natürlich muss dieser dann auch die Ergebnisse liefern, die vereinbart waren. Ich habe auch nicht das Gefühl eines Kontrollverlustes, nur weil ich nicht jeden Mitarbeiter jeden Tag sehe. Als Makler ist man ohnehin stark messbar und der Umsatz wird für gewöhnlich mit den Kunden „auswärts“ gemacht. Und manch erfolgreicher Deal hat seinen Anfang in einem Café genommen. Wir haben Umsatzzahlen. Die müssen stimmen. Aber ich würde auch behaupten, dass wir bei NAI apollo eine extrem ausgeprägte Vertrauenskultur haben – viele Kollegen sprechen von „Familie“.

Elena: Wir im Bereich Wohnen haben Neubauprojekte, Showrooms, sind auf der Baustelle, nehmen Termine vor Ort war. Heißt: Wir sind den ganzen Tag unterwegs, oftmals auch spät abends oder am Wochenende. Daher ist es in unserer Abteilung nicht so wichtig um Punkt 8 Uhr im Büro zu sitzen. In anderen Abteilungen, wie zum Beispiel der Office (Büroflächenvermietung) hingegen ist es sinnvoll, dass die Berater um 8 Uhr anfangen den Hörer in die Hand zu nehmen. Man kann das Ganze leider nicht immer vereinheitlichen, sondern muss in jeder Abteilung individuell schauen was Sinn ergibt und passt.

Viele (vor allem junge) Mitarbeiter hatten und haben die Befürchtung, dass ihre Karrieremöglichkeiten stark eingeschränkt werden, wenn sie dem Chef nicht direkt zeigen, was sie machen. Auch eine Gehaltserhöhung aus dem Homeoffice anzufragen, fühlt sich noch seltsam an.

Tim: Wir arbeiten ja trotzdem eng zusammen, tauschen uns regelmäßig in Jour fixes aus – wenn auch nicht zwingend räumlich. Da kann man dann durchaus aus „der Ferne“ Entwicklungschancen einschätzen und individuelle Talente fördern, ausbauen und aufbauen. Wir sind in unserem Bereich ein eingespieltes Team, aber klar: Ein All-Staff-Meeting mit allen, oder auch mal die Begleitung zu Terminen oder das gemeinsame Mittagessen sind genauso wichtig und in der Bedeutung eher sogar noch gestiegen. Ich finde, insgesamt haben die letzten zwei Jahre viel mehr positive Aspekte bewirkt, als negative – von der Freude am Team und am Büro bis hin zum Digitalisierungs-„Schub“ der uns mittlerweile viel flexibleres Arbeiten ermöglicht.

Würdet ihr sagen, dass die Pandemie weiche Faktoren gefördert hat und eine neue Arbeitskultur geschaffen wurde?

Elena: Klar, warum nicht aus Spanien oder dem Homeoffice arbeiten? Wenn die Arbeit gemacht wird. Das ist auch im Bemühen um neue und gute Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wichtig – inhaltlich sind viele Jobs spannend, aber kann ich diesen mit meinem persönlichen Glück vereinbaren? Das wird die zentrale Frage sein. Und warum soll man den Job nicht auch auf einer Terrasse in Spanien machen können, wenn er doch eh nur am Telefon stattfindet? Wahrscheinlich sind die Ergebnisse sogar besser, als wenn jemand im Kämmerlein sitzt und sich unwohl fühlt.

Tim: Die größte Herausforderung wird es sein, adäquate Mitarbeiter zu finden. Dann ist alles möglich. Um diese zu gewinnen, müssen sich auch Arbeitgeber wandeln. Stellenausschreibungen bringen zwar Bewerber, gleichwohl ist es viel schwieriger geworden passende Mitarbeiter zu finden die auch das Team weiterbringen. Mir ist die Persönlichkeit zum Beispiel viel wichtiger als Fachwissen – das kann man, wenn die Grundlagen stimmen, jedem beibringen. Wir haben Leute ohne Immobilienbezug eingestellt, aber sie passen vom Typ her einfach super ins Team. Da brauche ich im Zweifelsfall auch keinen Einstellungstest. Vielmehr braucht es Menschen, die im Team funktionieren und ein gemeinsames Ziel verfolgen, welches auf dem Weg dorthin Ihr Leben bereichert. Worklife-Balance eben.

 

Ein sehr schönes Fazit! Vielen Dank für dieses Gespräch.

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Kirsten Adrian
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